Der Schachverband Mittelrhein hat beschlossen, die diesjährigen Mannschaftskämpfe noch nicht abzusagen.
Offizielle Begründung:
Es ist offensichtlich, dass unter den derzeitigen Bedingungen keine reguläre
Austragung von Mannschaftskämpfen möglich ist. Die Anzahl der Absagen des
2. und 3. Spieltages zeigen, dass die Mehrheit der Mannschaften und Spieler
das auch so sieht.
Wir hoffen aber, dass sich die Lage im Frühling wieder entspannt. Auch
wenn die Infektionszahlen überhaupt noch nicht darauf hindeuten und die
Trendwende nicht absehbar ist, halten wir es für verfrüht, schon wieder
eine Saison abzubrechen.
Schon allein diese Hoffnung erscheint mir weit zu optimistisch, sollen die Spiele doch schon in 4 Wochen wieder beginnen. Dass der Verband selbst nicht so richtig an eine gravierende Besserung der Lage glaubt, zeigen die vielen „Erleichterungen“, die den Mannschaften eingeräumt werden (Reduzierung der Brettzahl bis auf vier, Verkürzung der Bedenkzeit, etc.). Auch bedeutet der verbleibende Zeitraum von knapp drei Monaten, dass mindestens alle 2 Wochen gespielt werden muss, da wird es in mancher Familie Ärger geben, wenn die gesamten, dann entsprechend der Hoffnung des Verbandes weitgehend koronafreien Wochenenden mit Schach belegt sind. Es wird nicht geregelt, wer mitspielen darf (ungeimpft, geimpft, genesen, geboostert).
Das alles bringt mich zum Nachdenken über das Schachspielen ganz generell. Wir wollen doch einen stressfreien und interessanten Spieltag erleben. Das fängt mit einem akzeptablen Spiellokal an (es wurden z.B. schon mehrfach Kämpfe wegen mangelnder Heizung im Winter verloren), wir erwarten einheitliches, akzeptables Spielmaterial, Getränke, Ruhe, etc. Alle diese Dinge wurden deshalb so geregelt wie sie sind, weil allgemein erwartet wird, dass die Spieler eben nicht nur „Püppchen schieben“, sondern unter insgesamt angenehmen Bedingungen mit Freuden ihrem Hobby nachgehen möchten.
Und ganz sicher gibt es auch eine ganze Menge Schachspieler, die in der derzeitigen Situation sich extrem unwohl fühlen, wenn sie über Stunden einem doch unbekannten Spieler gegenüber sitzen müssen. Viele von uns verzichten auf Restaurantbesuche, reduzieren Kontakte zu Bekannten, machen keine Reisen, jeder kennt die vielfältigen Einschränkungen. Da muss man nicht ausgerechnet bei einer zwar angenehmen, aber letztlich doch aufschiebbaren Freizeitbeschäftigung alle Vorsicht vergessen. Wir haben ja immerhin die Möglichkeit, Turniere im Internet zu organisieren.
Ich weiß, dass die Jugendwettbewerbe weiter stattfinden. Das ist insofern eher zu vertreten, da diese ja auch während der Woche in den Schulen sitzen, dies aber nach Abwägung der Vor- und Nachteile bei Wegfall des Präsenzunterrichts, sowie mit Berücksichtigung der Tatsache, dass bei ihnen in aller Regel eine Infektion sehr milde verläuft. Daher sind diese Aktivitäten auch anders zu bewerten.
Insgesamt glaube ich weder an eine kurzfristige gravierende Verbesserung der allgemeinen Lage, noch sehe ich die Möglichkeit, selbst bei weitgehender Entspannung in der verbleibenden Zeit bis zu den Sommerferien „sozialverträglich“ den kompletten Spielplan durchzuziehen. Ich hoffe daher darauf, dass der Kölner Verband nicht dem Beispiel des SVM folgt. Wo sogar Karnevalsveranstaltungen in Köln abgesagt werden, wird man doch wohl auch für Schachwettbewerbe eine ähnliche Lösung finden.
Hätte der Verband seine Entscheidung etwa um folgenden Satz ergänzt, wäre mir sehr viel wohler:
Ende Februar, rechtzeitig vor der geplanten Wiederaufnahme des Spielbetriebes, werden wir erneut entscheiden. Bei anhaltend hohen Inzidenzzahlen werden wir dann die Saison endgültig absagen.
Jochen Haupt
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Werner Rost